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Väterlicher Diktator zum Knuddeln (Gelesen: 1092 mal)
11. Januar 2005 um 23:15
errue   Ex-Mitglied

 
In Comandante porträtiert Oliver Stone den kubanischen Líder Fidel Castro mit Weichzeichner.

Man darf sich einen Teil der Vorgeschichte von Oliver Stones Dokufilm „Comandante“ ungefähr als folgenden Dialog vorstellen:

Anruf Stone bei Castros Regierungssprecher in Kuba: „Hallo, ich bin der kritische amerikanische Filmemacher Oliver Stone und würde gerne ein Filmporträt über den Chef drehen.“

Antwort Kuba: „Ok Oliver, einen moment bitte ..., (beiseite), Fidel, der Platoon-Typ will dich filmen. Hast Du Zeit und Lust?“

Fidel (im Hintergrund): „Hm, ja, könnte klappen. Sagen wir drei Tage, zu den üblichen Bedingungen!“

Pressesprecher: „Hallo Oliver, geht in Ordnung. Du hast drei Tage mit Fidel, kannst ihn überall hin begleiten und alles fragen. Aber Du darfst nichts Kritisches zeigen über die Opposition, Armut, Massenprostitution, Flüchtlinge ...“

Stone: „Egal, Hauptsache ich habe die drei Tage mit Fidel.“

Pressesprecher: „Muy bién! Hasta luego, Olivercito.“

So oder so ähnlich muss es gewesen sein. Denn nach seinem „Alexander“-Debakel liefert Oliver Stone mit „Comandante“ ein Herrscher-Porträt ab, das die kubanische Regierung auch selbst gedreht haben könnte. Munter, humorig und sympathisch plaudert Fidel über seine Jugend, seine Frauen, seine Revolution und sein Land. Man geht viel essen und reist in Santiago de Cuba herum. Etwa zu einer Hochschule, deren Studenten aus aller Welt Fidel begeistert begrüßen und ihn feiern. Oder zu einem (einzigen!) Mann in den Straßen, der „Ohne Fidel wäre Kuba nichts“ sagt. Fragt Stone nach Prostitution, antwortet Fidel: „Ja, vor der Revolution gab es hunderttausend, heute nur noch sehr wenige.“ Fragt Stone nach Folter und Repressionen, sagt Fidel: „Hat es bei uns in den 43 Jahren seit der Revolution nicht gegeben.“ Ebenso wenig hat der Vietcong im Vietnam-Krieg auch nur einen Gefangenen umgebracht, wie Fidel weiß.

Wer zärtliche Filmporträts mag, wird an „Comandante“ viel Freude haben. Fidel Castro darf sich hier ohne hartnäckigere Nachfragen als alter und fürsorglicher Landesvater präsentieren, der unentwegt Gedanken über das Dasein wälzt, ein paar private Dinge verrät, Fitness-Übungen vorführt und rundum zufrieden und mit sich im Reinen ist. Ein Diktator zum Knuddeln. Die echte Fidel-Begeisterung vieler Kubaner lässt sich so problemlos mit einem „Deshalb“ erklären. Ein „Trotzdem“ wäre ehrlicher und spannender gewesen.

Dass eine Revolution, die Nachbarschaft zum ständigen „Erzfeind“ USA, das Überleben eines Landes in deren Embargo-Würgegriff auch Probleme, Härten und innere Konflikte mit sich bringt, wird hier schlichtweg ausgeblendet.

Mag sein, Fidel selbst bekommt davon nichts mehr mit. Aber wenn selbst ein Oliver Stone, der seinen Finger schon so oft so unbarmherzig auf die kollektiven Legenden, Traumata und gesellschaftlichen Missstände der USA legte („Platoon“, „JFK“, „Natural Born Killers“) sich nun mit einem windelweichen Politporträt wie „Comandante“ begnügt, so ist das schon reichlich seltsam.

Stone wollte den Mythos Castro durchleuchten. Stattdessen poliert er ihn, den Heiligenschein des Máximo Líder. Auch eingestreute historische Aufnahmen können dem Votivbild nicht mehr Farbe verleihen. Und das liegt keineswegs nur an deren Schwarzweiß-Material.

Oliver Stones Film „Comandante“ startet morgen im „Kino im Dach“ , Dresden, Schandauer Straße 64
[url=http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=757934]SZ Online[/url]
 
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