Willkommen Gast. Bitte Einloggen oder Registrieren
Willkommen im Kubaforum
 
Willkommen im Kubaforum!!
  ÜbersichtHilfeSuchenEinloggenRegistrieren  
 
 
Seitenindex umschalten Seiten: 1
Thema versenden Drucken
In Castros Reich steht auch der Fußball still (Gelesen: 1854 mal)
19. Dezember 2003 um 09:51
charanga   Ex-Mitglied

 
SPORT / Ein schwäbischer Verein erfährt auf Kuba, dass Freundschaft Grenzen hat

In Castros Reich steht auch der Fußball still

Kuba, die geschichtsträchtige und lebenslustige Insel in der Karibik, steht immer noch im Zeichen von Revolution und Diktatur. Auch ein Verein, der sich deutsch-kubanische Fußball-Freundschaft zum Ziel gesetzt hat, wird vom Castro-Regime argwöhnisch beobachtet.
Wer Spaß daran hat, dass nichts funktioniert, wie es geplant war, dass aber trotzdem alles irgendwie klappt, wer Überraschungen liebt und nachts in die Disco geht, obwohl er überzeugter Nichttänzer ist, wer das Leben als Fest genießt, auch wenn es eigentlich nichts zu feiern gibt - der wird Kuba zu schätzen wissen. So ähnlich steht es in Reise-Prospekten, und so ähnlich verlief auch der jüngste Besuch des Vereins "Deutsch-Kubanische Fußballfreundschaft". Zum fünften Mal war eine Delegation dieses im April 1999 in Filderstadt gegründeten Vereins auf der Zuckerrohr-Insel. Mit dabei: ehemalige Fußball-Profis als Trainer und ein Container voller Geschenke - 60 Fußbälle, ebenso viele Paar Kickstiefel, dazu Trikots, Shorts, Stutzen und jede Menge Engagement. Ein Stück Entwicklungshilfe auf Schwäbisch mit dem Ziel, die "Kaserne" Kuba mit dem Medium Fußball ein bisschen zu öffnen. Was dabei herauskam, war freilich nicht unbedingt "cuba libre". Im Kontrast zum beliebten Mix-Getränk aus Cola und Rum bleibt ein schaler Nachgeschmack zurück. Erfrischend waren nur die Fußballkünste der jungen Kubaner im Alter zwischen 13 und 17 Jahren. "Denen brauche ich nichts mehr beizubringen", hatte Ex-Nationalspieler Helmut Haller schnell erkannt. Als Mitbegründer des Vereins und langjähriger Kuba-Fan - seine Frau stammt auch von dort - zählt der Vize-Weltmeister von 1966 aus Augsburg zu den Vorzeige-Trainern. "Technisch haben die fast alles drauf, nur können die ihre Fähigkeiten oft nicht umsetzen, weil sie nicht professionell genug betreut und gefördert werden." Trainingsplatz fehlt Wirtschaftliche Rückständigkeit, primitive oder gar fehlende Infrastruktur und vor allem die von der Castro-Regierung verordnete internationale Abschottung verhindern die Weiterentwicklung. Die jüngsten Eindrücke lassen gar darauf schließen, dass die zwischenzeitlich entfachte Fußball-Begeisterung wie eine Seifenblase zerplatzt. Im Vergleich mit Boxen, Leichtathletik, Volleyball und dem Volkssport Baseball fristet Fußball auf Kuba ein Mauerblümchendasein. Im Reich von Fidel Castro gibt es zwar Karneval zum 50. Jahrestag des gescheiterten Sturms auf die Moncada-Kaserne, der als Auftakt gilt zur 1959 schließlich erfolgreichen Revolution, aber keinen gemähten Trainingsplatz für den aktuellen Fußball-Landesmeister. In Ciego de Avila, rund sechs Autostunden von Havanna entfernt, wo Haller und Co. diesmal ihr Trainings-Camp für eine knappe Woche aufgeschlagen hatten, blieben die Schwaben ziemlich unter sich. Ramon Castro, Ehrenmitglied des Vereins und Bruder des Regierungschefs, ließ sich wegen Rückenbeschwerden und einer Erholungskur entschuldigen. Im Vorjahr hatte der 77-Jährige die deutschen Fußball-Entwicklungshelfer noch fünf Mal besucht und vor dem Abflug sogar in sein Haus eingeladen. Auch sonst scheint die Beziehung ziemlich abgekühlt. Kubas Verbandspräsident Luis Hernandez Herez ließ sich entgegen sonstiger Gepflogenheiten nur kurz blicken - herzliche Gastfreundschaft sieht anders aus. Klaus Sattler, der zweite Vorsitzende des Vereins, glaubt an eine vorübergehende Ruhestellung. "So schnell werden Freundschaften nicht gebrochen. Wir stehen weiter in den Startlöchern, auch als Ideengeber", sagt der Pressechef von Toto-Lotto Baden-Württemberg. Auch er kann freilich nicht verleugnen, dass die politische Großwetterlage die vorübergehende kubanische Zuneigung in Richtung Europa mit einer Kaltfront überzogen hat. Die Grundidee des Vereins, als Bindeglied zwischen dem Deutschen Fußball-Bund und dem bisher unerschlossenen Fußball-Land Kuba zu wirken, bleibt zwar bestehen, doch ihrer Verwirklichung sind Grenzen gesetzt. Vor allem fehlt die realistische Perspektive. "Was nützen da unsere Camps, wenn sich bei denen nichts ändert", mäkelt Buffy Ettmayer, einst Hansdampf des VfB Stuttgart. Der gewichtige Österreicher, ebenso als Gratis-Trainer im Einsatz wie die beiden Ulmer Ex-Profis Erich Steer und Hans Michelberger, genoss die "Ball-Arbeit" mit den geschmeidigen Kubanern, sieht aber schwarz für die Zukunft. "Wenn die nicht rauskommen aus ihrem Käfig, ist alles für die Katz." Der Silberstreif von Sindelfingen ist jedenfalls verblasst. Vor Jahresfrist hatte der Freundschaftsklub dank der persönlichen Initiative von Castro-Freund und Vereinsvorstand Hans Rau einen vielversprechenden Erfolg erzielt, als erstmals eine U19-Auswahl am international renommierten Sindelfinger Junioren-Turnier teilnehmen durfte. Mit diplomatischer Unterstützung von Wirtschaftsminister Walter Döring war dieses Ereignis als Meilenstein in den deutsch-kubanischen Beziehungen gewertet worden. Dabei waren die Karibik-Kicker nicht einmal in Bestbesetzung angetreten, sondern ausgewählt nach "Linientreue", um eine Fluchtgefahr zu verringern. Und tatsächlich waren die jungen Kuba-Fußballer, die trotz ansprechender Ansätze den letzten Turnierplatz belegt hatten, auch komplett wieder in die Heimat zurückgekehrt. Gleichwohl, eine Fortsetzung dieser Öffnung auf sportlichem Gebiet ist derzeit nicht in Sicht. Zwar haben die Kubaner bei der Baseball-WM Anfang Oktober einen von Daimler-Chrysler gesponserten Mannschaftsbus dankend entgegengenommen, doch ihrerseits hält sich das Entgegenkommen in Grenzen. Die deutschen Entwicklungshelfer standen vielmehr unter Dauerbeobachtung. Helmut Haller wurde gar bei der Einreise sogar die Videokamera abgenommen und bis zur Abreise einbehalten. Dennoch lassen sich die Kubaner von den Nachwehen der Revolution von 1959 nicht die Lebenslust nehmen. Tristesse kennen sie nicht, das Leben ist bunt und die Hoffnung auf bessere Zeiten ungebrochen. Dazu gehört auch die Qualifikation für die Fußball-WM 2006 in Deutschland. Das sehen die Deutschen ebenso: "Das wär unser sehnlichster Wunsch", sagen Vereinschef Hans Rau und Vize Klaus Sattler, auch wenn beide wissen, wie unwahrscheinlich seine Erfüllung ist. Und wie es mit der deutsch-kubanischen Freundschaft weitergeht, weiß derzeit auch niemand. Für Sindelfingen 2004 ist jedenfalls kein Kuba-Team gemeldet. Und es gibt auch keinen Termin für das nächste schwäbische Trainingscamp.
ALFRED KOCH
 
IP gespeichert
 
Seitenindex umschalten Seiten: 1
Thema versenden Drucken