Nach Feierabend beginnt der Stress zu Hause
61 Prozent der Richter und Staatsanwälte sind Frauen, ebenso rund die Hälfte der Hochschulabsolventen. Die Frauen ziehen in die Männerbastionen ein, die Männer aber nicht in die Frauenbastionen.
Neulich während einer Fete ohne zeremoniellen Anlass überraschte uns Pupy (Textilingenieurin) in einem der wenigen Momente relativer Ruhe mit der Bemerkung: »Meint ihr nicht auch, dass es endlich Zeit ist, den kubanischen Frauen ein Ehrenmal zu errichten? Und zwar ein ziemlich schönes und großes?« Verblüfftes Schweigen. Es waren da sieben mittelalterliche Ehepaare beisammen. Alle auf der Höhe der Zeit, mit den guten Seiten der Revolution und etwas auch mit den weniger guten identifiziert, solide gebildet, die Frauen selbstbewusst und für offenkundiges Machogehabe unbrauchbar. Und zwei Männer hatten sich sogar gerade angeschickt, in der Küche, aus der sie jedoch von drei Frauen sofort verscheucht wurden, beim Abwasch zu helfen. Pupy sagte nur noch: »Arbeit, Haushalt, Kinder, Enkel, das ist verdammt viel, trotz aller Gesetze zu unseren Gunsten.« »Die Revolution«, sagte sie, »hätte vor allem in den letzten Jahren alt ausgesehen, wenn wir umgefallen wären.« Kein Einspruch.
Die kubanischen Frauen stellen heute 61 Prozent der Richter und Staatsanwälte. Sie leiten 48 Forschungszentren, fünf sind Minister, 28 Vizeminister. Die Hälfte aller Fach- und Hochschulabsolventen und 36 Prozent der Parlamentsabgeordneten sind Frauen. 1959 waren zwei Drittel der weiblichen Bevölkerung Analphabeten. Von 100 Ehen werden seit einigen Jahren 45 geschieden, und die Frauen entschließen sich heute ebenso oft zur Trennung wie die Männer.
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Neues Deutschland