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Jeder Kubaner könnte ja ein jinetero sein (Gelesen: 2647 mal)
15. August 2005 um 08:08

uwe   Offline
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Geschlecht: male
Beiträge: 1895
*****
 
Von Alexandra Nitz

»Die glücklichsten Augenblicke als Tourist scheinen immer die zu sein, in denen man zufällig über etwas stolpert, während man eigentlich etwas ganz anderes sucht.« (Lawrence Block)

Neben mir am Straßenrand grinsende Gesichter auf der Treppe zu einem alten, verfallenen Haus. Rufe: »¡Hola chica guapa, te quiero!« Ich gehe weiter, ohne den vier dunkelhäutigen Jungs einen Blick zuzuwerfen. Als ich an ihnen vorbeilaufe, strecken sie mir ihre Hand entgegen. Soll ich denen jetzt etwa Geld geben, oder was wollen die? Ich bin genervt und verunsichert und versuche, meine Schritte nicht zu beschleunigen, sondern selbstbewusst an ihnen vorbei zu schreiten. Zum Glück ist es nicht Nacht. Da wäre mir die ganze Sache doch etwas zu viel. Doch auch bei stechender Sonne zehrt mir der Spießrutenlauf durch das Zentrum Havannas bis zum nächsten Supermarkt ziemlich an den Nerven.

Im Supermarkt mit gut dreiviertel leeren Regalen warte ich darauf, an die Reihe zu kommen, um zwei Flaschen Wasser zu kaufen. Ein dunkelhäutiger Kubaner, so Mitte Zwanzig spricht mich an. Er ist sehr freundlich, ich bin skeptisch. Zögerlich beginnen wir ein Gespräch und sofort bietet er mir seine Dienste als Stadtführer an. Da ich noch einiges zu erledigen habe und mich kaum auskenne, nehme ich sein Angebot an. Schon nach kurzer Zeit denke ich, dass dies keine falsche Entscheidung war. Als wir dann zu zweit durch die Straßen ziehen, ruft mir niemand mehr etwas hinterher. Keine ausgestreckten Hände grinsender kubanischer Jungs. Ich habe also einen »Bodyguard«. Nach einer Stunde bin ich mit meinen Erledigungen fertig. Dank Ramóns Hilfe ging alles viel schneller; kein Herumirren mit dem Stadtplan in der Hand, keine verschiedenen Richtungsangaben unterschiedlicher Leute, alles hat reibungslos geklappt. Yeah, auch das kann Kuba sein! Ich spendiere Ramón ein Getränk und wir setzen uns auf einen schattigen Platz mitten in »La Habana Vieja«, der Altstadt Havannas. Hier tummeln sich viel mehr Touristen als in der Nähe meiner Unterkunft.

»Gibt es auf Kuba schon immer so viele Touristen?« will ich von Ramón wissen. »Na ja, es werden mit jedem Jahr mehr, so vor etwa 15 Jahren gab es noch nicht wirklich viele. Die anderen Wirtschaftszweige Kubas vegetieren schon lange vor sich hin. Da setzt der Staat eben auf den Tourismussektor.« Wir unterhalten uns lange, fast drei Stunden. Ich habe das Gefühl, Kuba und seine Menschen zu spüren. Dann wird es Zeit für mich, zu meinem casa particular zurückzukehren, denn die freundliche Besitzerin wird für mich ein Abendessen kochen. Hühnchen mit Reis, Bohnen und Salat soll es geben. Wir hatten gerade den Platz verlassen, da hält uns ein Polizist an. Er fordert Ramóns Ausweis, notiert sich dessen Nummer, füllt einen Zettel aus und gibt ihn Ramón. Ich stehe schweigend daneben, denn ich bin mir nicht sicher, ob es gut oder schlecht ist, wenn der Polizist mitbekommt, dass ich Spanisch spreche. Er soll es aber anscheinend wissen, denn Ramón beginnt ein Gespräch mit mir, während der Polizist mit dem Ausfüllen des Zettels beschäftigt ist. Ramón erhält die eine Hälfte des Blattes, dann verschwindet der Polizist grußlos und endlich kann ich fragen, was das gerade eben denn war. »Der Idiot hat mir eine Geldstrafe aufgedrückt«, ärgert sich Ramón. »Wieso?« »Fidel will nicht, dass wir die Touristen belästigen, deswegen versucht er unseren Kontakt zu ihnen zu unterbinden, denn jeder Kubaner könnte ja ein jinetero sein. Aber davon sollen die Touristen nichts mitbekommen. Wenn du jetzt weitergegangen wärest, hätte er mich gleich mit auf die Wache genommen. Da gäben sie dann meine Daten in den Computer ein und wenn die mich nochmals mit Touristen erwischen, tja, falls ich Pech hätte: Gefängnis.« Ich bin noch völlig irritiert von dem Gedanken, als Ramón fortfährt: »Gut, dass du dageblieben bist. So konnte ich sagen, dass wir gute Freunde sind. Deshalb habe ich nur eine Geldstrafe bekommen.« Ramón zieht drei braune Blätter aus seiner Hosentasche. »Ich habe schon einige von diesen Zetteln. Bald muss ich auf die Wache und die Strafe zahlen, sonst gibt es richtig Ärger.« Die Situation ist mir peinlich. Ramón bekommt Unannehmlichkeiten, nur weil ich mit ihm durch Kubas Hauptstadt laufe! Schon sehr seltsam...»Kubaner sind hier weniger wert als die Touristen, deswegen wollen sie die vor uns beschützen. Eine eigene Meinung dazu dürfen wir hier nicht haben. Was wir wollen, ist denen egal.«

Am Abend treffen wir uns in einer gemütlichen Bar mit kubanischen Musikern. »Was arbeitest du?« will ich wissen. »Früher habe ich Obst ge- und dann verkauft. Aber das bringt kaum was ein, davon kannst du nicht leben. Jetzt vermittle ich Taxis oder Zimmer an Touristen.«»Was bekommst du denn dafür?«»Für jede Nacht, die ein Tourist in dem casa particular verbringt, bekomme ich 5 US$. Der Tourist weiß das meistens nicht. Die Unterkunft kostet dann eben 25 US$ anstatt 20 US$ pro Nacht.« »Aha. Dann bist du also ein jinetero?« vermute ich. »So gesehen ja, aber für dich bin ich ein Freund!« Ich freue mich, das zu hören. »Wenn man aber in Kuba mit legalen Jobs nur so wenig verdient, wie kommt man dann zu Geld? Gibt es keine Arbeit, die zum Überleben reicht? Wo verdient man am meisten, wenn man nicht illegal arbeitet?« »Dort«, sagt Ramón und zeigt auf den Barkeeper. »Der bekommt nicht schlecht Trinkgeld – und das in Dollar.« Die Musiker fangen nach einer kurzen Pause wieder an zu spielen. Während einer der Musikanten mit einem Spendenkörbchen herumgeht, denke ich bei mir, dass sie so an wenigen Abenden mehr verdienen als ein Professor an der Uni in einem Monat. Ich nippe wieder an meinem Mojito. Um Mitternacht bringt mich Ramón zu meinem casa particular zurück. »Sehen wir uns wieder?« fragt er. »Ja, morgen. Um 11 Uhr am Capitolio?« frage ich. »Ok. ¡Hasta mañana!” Er verschwindet in der kaum beleuchteten Gasse.
FernWeh 2004
 
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Antwort #1 - 15. August 2005 um 17:01
lehna   Ex-Mitglied

 
Zitat:
Jeder Kubaner könnte ja ein jinetero sein


Naja , so verallgemeinern würde ich das jetzt aber doch nicht. UWE   !!!!

... aber nur wenn er gut aussieht.  Zwinkernd
 
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