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Hurricane - von Kirsten B.  Düsseldorf (Gelesen: 1305 mal)
01. Oktober 2005 um 00:57

uwe   Offline
Administrator

Geschlecht: male
Beiträge: 1895
*****
 
Schon mal einen Hurricane erlebt?
Ich schon!
Vor mehreren Jahren habe ich mal für eine Weile auf Kuba gelebt. Mit meinem kubanischen Traumwesen lebte ich in einer schönen Wohnung in einem rein kubanischen Viertel.

Anbei der Auszug aus meinem Reisetagebuch:

Abends weihten wir mit Pretty Woman Juanas neuen Fernseher ein. Original mit Untertiteln.
Als wir gegen 1 Uhr ins Bett gingen, war es draußen ziemlich windig.

Gegen 3 Uhr brach ein Hurrican los. Der Wind knallte mit einer ungeheueren Wucht gegen die Hauswand, und drückte die Holzlamellen der scheibenlosen Schlafzimmerfenster auf. Es war stockdunkel. Ich bekam Angst und preßte mich an Manuel. Er nahm mich fest in den Arm.

Der Orkan wurde stärker. Blitze zuckten, und es fing an zu regnen. Nein, es goß! Es war, als hätte sich der Himmel geöffnet. Durch den starken Sturm wurde der Regen durch die offenstehenden Lamellen gedrückt. Manuel zog mich aus dem Bett und trug mich in die Diele. Ich stand stocksteif auf dem kühlen Steinfußboden und hatte zum ersten Mal in meinem Leben nackte Panik. Jeden Moment rechnete ich damit, daß die Häuserwand eingedrückt würde oder daß eine der großen Palmen neben dem Haus das Dach einschlug. Ich war wie gelähmt vor Angst und fühlte mich hilflos gegenüber dieser Naturgewalt. Man ist diesen Dingen total ausgeliefert, weiß nicht, wie lange es noch dauert und wie schlimm es werden wird. Erdbeben, Hurricans, Überschwemmungen - die Rache der Natur, gegen die wir in dem Moment, in dem es passiert, nichts unternehmen können.

Bleche rissen sich los, schepperten die Straße entlang und knallten gegen alles, was sich ihnen in den Weg stellte. Manuel rannte unentwegt an mir vorbei und räumte das ganze Schlafzimmer aus, während ich meine Nase gegen die kleinen Glasscheiben neben der Einganstür preßte und völlig verängstigt, aber trotzdem fasziniert, das Chaos draußen beobachtete. Man konnte nur erahnen, was da los war: Blitze, Donner, sintflutartiger Regen und ein Sturm, daß sich die Palmen bogen und fast davonflogen. Die Palmenwedel zeigten vibrierend in eine Richtung. Ein Leitungsmast brach und Funken zuckten durch die Dunkelheit. Es schepperte, heulte, knallte, und ich hatte immer noch Angst.

Als ich mich wieder im Griff hatte, half ich Manuel die Matratze ins Wohnzimmer zu bringen. Das Schlafzimmer stand schon knöchelhoch unter Wasser. Es war drückend warm.
"Im Wohnzimmer sind wir sicher. Dieser Raum hat keine direkten Fenster und das Haus ist stabil gebaut. Es fliegt schon nicht weg", versuchte er mich zu beruhigen.
Ich kauerte mich auf einen Stuhl und nahm den zitternden Hund auf den Schoß, wobei ich nicht so genau ausmachen konnte, wer von uns beiden mehr zitterte.

Der Sturm wütete weiter, knallte mit so einer Wucht gegen die Verandatür, daß wir zwei von den schweren Wohnzimmerstühlen davorschoben, um sie abzusichern.
Nach etwa einer halben Stunde legte sich der Orkan. Da es weder Strom noch Wasser gab, stellte Manuel einen Topf nach draußen, um Regenwasser einzufangen. Als der nach einigen Minuten voll war, kochte er einen Tee. Langsam beruhigte ich mich, und um 5 Uhr legten wir uns totmüde schlafen.

Am nächsten Tag war es sehr kühl und windig. Die Kubaner kramten ihre dicksten Jacken heraus, und auch ich zog mehrere Lagen übereinander an. Auf einem Rundgang durch die Umgebung wurde das ganze Ausmaß des Hurricans sichtbar. Überall entwurzelte Bäume, umgeknickte Telefonmasten, weggerissene Brückengeländer, umgekippte Straßenschilder; ein Hausdach war von einem Baum durchschlagen worden. Auf den Straßen und Bürgersteigen lagen Palmwedel und Wellblechstücke, die von diversen Garagen stammten. Das Meer tobte und Schaumkronen rasten über die Oberfläche.

Als die Nacht hereinbrach, wurde es in unserem Viertel richtig unheimlich. Alles war stockdunkel, da es immer noch keinen Strom gab. Nur vereinzelt flackerten hier und da Petroleumlampen in den Wohnungen der glücklichen Kubaner, die so etwas besaßen. Ich war froh, daß ich eine Taschenlampe hatte.
Abends versammelten wir uns alle bei Rosa. Ich hatte zwei von meinen kostbaren Kerzen mitgebracht, die ich eigentlich für romantische Abende zu zweit vorgesehen hatte.

Zwei Tage später waren wir immer noch ohne Strom. Die Kühlschränke tauten langsam ab und begannen zu stinken. Im Klo sammelten wir fünf bis sechs Sitzungen, ehe wir einen ganzen Eimer Wasser, den wir an der Pumpe an der Ecke holten, für die Säuberung verschwendeten.
Die Leute aus dem Viertel reparierten die entstandenen Schäden, fällten Bäume, machten Ordnung und befestigten alles sehr gut, da ein weiterer Hurrican angesagt worden war, der dann aber Gott sei Dank ausblieb. Der eine Orkan hatte schon genug Schaden angerichtet. In Havanna hatte es vier Tote gegeben. Der Malecón war total verwüstet, der Tunnel unterspült und das Hotel Riviera schwer beschädigt. In den Straßen am Malecón stand das Wasser hüfthoch.
Am nächsten Tag gab es zeitweise Strom, aber immer noch kein Wasser. Erst langsam kehrte der normale Alltag zurück.
 
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