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Zwischen Kuba und Europa wird nicht mehr geflirtet (Gelesen: 1482 mal)
25. Juli 2003 um 09:08

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Im Windschatten des Irak-Konflikts kehrt Präsident Fidel Castro zu innen- und außenpolitischer Verhärtung zurück / Von Susanne Gratius

Am 26. Juli 1953 stürmte der damals 26jährige Fidel Castro mit einer Gruppe bewaffneter Männer die Moncada-Kaserne in Santiago de Cuba, um die Diktatur von Fulgencio Batista zu beenden. Er wurde festgenommen. Vor seiner Verurteilung hielt Castro im Gerichtssaal die flammende Rede, "die Geschichte wird mich frei sprechen". Sie endete mit dem Ausspruch "Freiheit oder Tod", den er heute durch "Sozialismus oder Tod" ersetzt. 50 Jahre später hat Castro selbst eine Willkürherrschaft gegen Andersdenkende errichtet und regiert das Land nahezu allein. Selbst langjährige Sympathisanten der Revolution, wie der Schriftsteller und Nobelpreisträger José Saramago, haben sich inzwischen enttäuscht von Kuba abgewandt. Der hier dokumentierte Text ist der aktualisierte Nachdruck aus SWP-Aktuell vom April 2003 der Stiftung Wissenschaft und Politik (www.swp-berlin.org)

Im Windschatten des Irak-Krieges nutzte das Castro-Regime die wachsenden Spannungen mit der Interessenvertretung der USA in Havanna als Argument für eine Welle der Repression. Im April wurden die Entführer von einer Personenfähre und zwei Kleinflugzeugen hingerichtet. Wenige Wochen zuvor hatte das Castro-Regime 76 Dissidenten in nichtöffentlichen Schnellprozessen zu über 20 Jahren Haft verurteilt. Wiederholte Flugzeugentführungen kubanischer Luftpiraten, die sich in die USA absetzen wollen, und die offene Unterstützung von Dissidenten seitens der amerikanischen Interessenvertretung veranlassten das Regime zu dieser neuerlichen innen- und außenpolitischen Verhärtung. Damit verschärfte Fidel Castro nicht nur den Konflikt mit den USA, sondern auch mit der Europäischen Union, die Anfang Juni erstmals diplomatische Sanktionen verhängte.

Mit Ausnahme des genauen Zeitpunkts der Kurskorrektur war das Verhalten des Regimes vorhersehbar, denn es läuft immer nach dem gleichen Muster ab: dem periodischen Wechselbad von innenpolitischer Toleranz und Repression, außenpolitischer Öffnung und Isolierung. Wenn sich die Machthaber in Havanna unter Druck gesetzt fühlen, provozieren sie einen außenpolitischen Konflikt, um dadurch die interne Repression zu rechtfertigen. Dann folgt wieder eine Periode der relativen außenpolitischen Öffnung und Erweiterung der gesellschaftlichen Freiräume.

Auslöser für die jetzige Krise war eine Kombination von mehreren Faktoren: International erfüllte der Irak-Krieg das für die USA politisch nicht genehme Castro-Regime mit wachsender Besorgnis, innenpolitisch war das Regime durch eine unter dem Namen Varela-Projekt bekannt gewordene Unterschriftenkampagne der Opposition in Legitimationsnot geraten, und bilateral kam es erneut zu Spannungen mit den USA.

Politische Instrumentalisierung des Feindbildes USA

Seit 1989 zieht das Castro-Regime seine Legitimation weniger aus der sozialistischen Ideologie, sondern verstärkt aus einem anti-imperialistischen Nationalismus. Durch ihre Embargo- und Isolierungsstrategie fügen die USA dem Land zwar erheblichen wirtschaftlichen Schaden zu, bieten dem Regime aber gleichzeitig ein willkommenes Feindbild. So dient die Sanktionspolitik der USA den Interessen des Regimes, indem es die Notwendigkeit der innenpolitischen Geschlossenheit mit dem Schutz gegen die Bedrohung von außen rechtfertigt. Kuba versteht sich als Land im permanenten Kriegszustand mit den USA.

Nach dieser Logik arbeiten alle Andersdenkenden für die USA und sind folglich Vaterlandsverräter. Nur der kubanische Sozialismus garantiert die nationale Souveränität und die Wahrung der Errungenschaften im Bereich Bildung und Gesundheit. Der Preis hierfür ist aus Sicht des Regimes der Schulterschluss der Kubaner mit Fidel Castro und die Abschottung gegenüber dem externen Feind USA.

Die rechtliche Grundlage für die Verurteilung aller politischen Aktivitäten außerhalb der Kommunistischen Partei Kubas bietet das 1999 in Kraft getretene Gesetz zum "Schutz der nationalen Unabhängigkeit und der kubanischen Wirtschaft". Mit der kürzlichen Verurteilung der Dissidenten fand das als Antwort auf das "Helms-Burton-Gesetz" verabschiedete, rechtlich höchst bedenkliche Regelwerk zum ersten Mal Anwendung. Zuvor wirkte es lediglich wie ein Damoklesschwert für unabhängige Journalisten und Oppositionelle in Kuba, die jederzeit wegen Kollaboration mit den USA festgenommen werden konnten.

Verstärkter interner Druck auf das Castro-Regime

Unter den Inhaftierten befinden sich drei international bekannte Gegner des Regimes: der Journalist Raúl Rivero, der Dissident Héctor Palacios, und die vor drei Jahren schon einmal verhaftete Ökonomin Marta Beatriz Roque. Festgenommen wurden unabhängige Journalisten, Gewerkschafter und Bibliothekare, Menschenrechtsaktivisten und Mitglieder in Kuba verbotener politischer Parteien und Gruppierungen aus dem ganzen Land. Die jüngste Verhaftungswelle zeigt, dass sich das Regime zunehmend unter Druck gesetzt fühlt. Mit den drakonischen Strafen bereitete es einem längeren Tauziehen mit der Opposition ein gewaltsames Ende.

Noch im Januar 2003 ließ Fidel Castro sein Regime durch die alle fünf Jahre angesetzten Wahlen zur Nationalversammlung bestätigen. Die 609 Kandidaten für die 609 Sitze der sozialistischen Abgeordnetenkammer erhielten nach offiziellen Verlautbarungen eine Zustimmung von 97 Prozent. Parallel zum Beginn der Wahlkampagne des Regimes organisierte eine Gruppe von Oppositionellen - angeführt von Oswaldo Payá, Träger des Sacharow-Preises des Europäischen Parlaments - eine Unterschriftenaktion für ein Referendum über das politische System in Kuba, die unter dem Namen "Varela-Projekt" bekannt wurde. Obwohl sie die für Volksbefragungen laut Verfassung notwendigen 11 000 Stimmen erhielt, wurde das Gesuch von der Nationalversammlung abgelehnt. Als Antwort auf die Initiative der Opposition ließ Fidel Castro seinerseits über acht Millionen Stimmen (99,25 Prozent der Bevölkerung) für eine Verfassungsreform sammeln, um den unwiderruflichen Charakter des sozialistischen Systems verfassungsrechtlich zu verankern.Nach jahrelanger Fragmentierung gewinnen die Dissidenten im In- und Ausland an Ansehen. Durch das "Varela-Projekt" gelang es der traditionell zersplitterten Dissidentenbewegung in Kuba zum ersten Mal, ihre Kräfte zu sammeln und sich auf gemeinsame Ziele zu einigen. Wie die Überreaktion des Regimes unter Beweis gestellt hat, gefährdet das von den USA unterstützte Projekt seine politische Monopolstellung.

Gegenseitige Provokationen zwischen den USA und Kuba

Seit etwa einem Jahr schwelt nach einer Phase relativer Entspannung - unter anderem lockerten die USA ihre Embargopolitik - ein neuer Konflikt zwischen Kuba und den USA. Nach dem Regierungswechsel in Washington mehrten sich die Zwischenfälle und gegenseitigen Anschuldigungen. Das ohnehin schlechte Nachbarschaftsverhältnis - seit dem US-Embargo 1961 unterhalten beide Länder keine diplomatischen Beziehungen - kühlte merklich ab. Die eigentlichen Spannungen begannen nach dem 11. September 2001, als die USA den Druck gegen den sozialistischen Nachbarstaat erhöhten. Zunächst äußerte ein Mitglied der Bush-Regierung den Verdacht, Kuba produziere biologische Waffen. In den letzten Monaten kam es dann zur Entführung von mehreren Flugzeugen und Personenfähren, für die das Castro-Regime die laxe Asylpolitik der USA gegenüber kubanischen Flüchtlingen und die Vergabe von weniger als den 20 000 vereinbarten legalen Ausreisevisa verantwortlich machte.

Als der Chef der amerikanischen Interessenvertretung in Havanna, James Cason, einen offenen Umgang mit Dissidenten pflegte, sie finanziell unterstützte und mit ihnen regelmäßige Treffen in seiner Residenz abhielt, entschied sich die kubanische Regierung für den Weg der Konfrontation: Sie schränkte die Bewegungsfreiheit des Personals der amerikanischen Interessenvertretung in Kuba ein und verhaftete die größte Zahl an Dissidenten seit den siebziger Jahren.

Mit den Festnahmen statuierte die Regierung einerseits ein innenpolitisches Exempel. Andererseits dienten sie auch als Warnung an die Adresse der USA, sie würden mit ihrer Politik die Oppositionellen gefährden und gegen die Revolution konspirieren. In einer kubanischen Regierungserklärung vom 18. März heißt es, die amerikanische Interessenvertretung habe sich zu einem Zentrum der Subversion gegen die verfassungsrechtliche Ordnung, der wirtschaftlichen Sabotage, der Sicherheitsbedrohung und der Zerstörung der nationalen Unabhängigkeit Kubas entwickelt. Die USA reagierten mit einer scharfen Verurteilung der Verhaftungen und erhöhten ihrerseits die Bewachung des Personals der Interessenvertretung Kubas in Washington.

Durch das militärische Vorgehen der Bush-Regierung gegen politisch nicht genehme Regime (zu denen auch Kuba gehört), findet Castros Rhetorik des anti-imperialistischen Schulterschlusses im Inland wieder größere Resonanz, da selbst die Gegner des Regimes keine Machtübernahme durch die USA wünschen. Zudem ist das Risiko einer scharfen Reaktion der USA auf die Verhaftungswelle durch andere außenpolitische Prioritäten momentan gering. Ignoriert von der Weltpresse, nutzte das Castro-Regime den Windschatten des Irak-Krieges für eine Demonstration innen- und außenpolitischer Stärke gegenüber den USA.

Das kubanische Kalkül, die USA würden auf die interne Aggression nicht reagieren, ist dennoch ein Spiel mit dem Feuer: Sollten die USA es wirklich ernst meinen und ihren weltweiten Feldzug für die liberale Demokratie auch vor der eigenen Haustür führen, wäre selbst eine militärische Intervention in Kuba nicht mehr auszuschließen. Dagegen spricht aber die Tatsache, dass Kuba für die USA schon lange keine Sicherheitsbedrohung mehr darstellt, sondern ein von den Exilkubanern dominiertes, innenpolitisches Thema ist. Der Einfluss der Exilkubaner auf die US-Politik basiert jedoch auf dem Feindbild Fidel Castro, ohne das sie ihre politische Daseinsberechtigung verlören. Die 1977 unter der Carter-Regierung gegründete diplomatische Vertretung der USA in Havanna ist den kubanischen Machthabern als ideologische Enklave des Feindes und Hort für kontrarevolutionäre Aktivitäten schon lange ein Dorn im Auge. Sollten sich die USA zur Schließung ihrer Vertretung in Havanna provozieren lassen, könnten sie genau in die Falle tappen, die ihnen die Castro-Regierung ausgelegt hat.

Ein solcher Schritt wäre das Ende der 1994 entstandenen gemeinsamen Migrationspolitik, auf deren Grundlage die USA jedes Jahr Einreisevisa für Kubaner vergeben. Ein erster Hinweis hierfür war die Absage der für April geplanten dritten Konferenz "Nation und Migration", an der auch Cuban-Americans teilnehmen sollten. Als Grund hierfür nannte das kubanische Außenministerium den Irak-Krieg und die gespannten Beziehungen zu den USA.

Abruptes Ende der dritten kubanisch-europäischen Flitterwochen

Die Verhaftungswelle hat der Annäherung Kubas an die EU, seinem wichtigsten wirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Partner, ein jähes Ende gesetzt. Noch wenige Wochen zuvor sah es so aus, als werde Kuba nun endlich, nach drei gescheiterten Versuchen, seine Beziehungen zu Europa durch einen Beitritt zum Cotonou-Abkommen zwischen der EU und den AKP-Staaten normalisieren. Hierfür sprach Folgendes:

- Im Dezember 2001 hatten Kuba und die EU ihren 1996 eingefrorenen politischen Dialog wieder aktiviert.

- Kuba hatte im Januar 2003 zum zweiten Mal einen Antrag auf Aufnahme in das Cotonou-Abkommen gestellt.

- Die Europäische Kommission eröffnete Mitte März eine Delegation in Havanna.

Nun ist eine erneut Eiszeit in den Beziehungen angebrochen. Durch die jüngste Repressionswelle lieferte das Regime den Gegnern einer Normalisierung der Beziehungen in der EU neue Argumente.
Zu den Blockierern gehören die nordischen "Menschenrechtsfundamentalisten" Finnland, Schweden und die Niederlande sowie der wichtigste amerikanische Bündnispartner, Großbritannien. Auch Spanien gehört zwar zu den entschiedenen Kritikern des Regimes, hat aber als wichtigster Partner Kubas auch eigene Wirtschaftsinteressen zu verteidigen.
Sowohl Kuba als auch die EU bewerten aus unterschiedlichen Gründen die Kosten einer Normalisierung letztendlich höher als den Nutzen. Kuba verspricht sich durch einen Beitritt zu "Cotonou" zwar mehr Entwicklungshilfe, will aber gleichzeitig eine Debatte mit der EU über das Thema Menschenrechte vermeiden und die Beziehungen zu Europa auf Wirtschaftskooperation beschränken.

Der EU ist einerseits das Risiko eines transatlantischen Konflikts mit den USA - noch dazu in einem Moment ohnehin gespannter Beziehungen - zu groß, und andererseits ist die Situation in Kuba kaum mit der Demokratieklausel des Cotonou-Abkommens und der europäischen Menschenrechtspolitik vereinbar.

So dürfte sich das Verhältnis zwischen der EU und Kuba, solange Fidel Castro an der Macht ist, auch weiterhin durch einen ständigen Wechsel zwischen Annäherung und Distanz auszeichnen.1995/96 und 1999/2000 zeigten die Beziehungen eine ähnliche Entwicklung: Die Phase der Annäherung endete nach außenpolitischen Konflikten zwischen Kuba und den USA (Flugzeugabschuss und Migrationskonflikt).

Im April 2000 diente die europäische Unterstützung der Verurteilung Kubas in der UN-Menschenrechtskommission als Argument für das Zurückziehen des kubanischen Antrags auf Aufnahme in das Cotonou-Abkommen.

Jetzt kam Kuba dem europäischen Entscheidungsprozess zuvor und zog sein zweites Beitrittsgesuch nach den Ereignissen vom Frühjahr zurück. Die jüngsten Ereignisse in Kuba wurden von europäischer Seite am 5. Juni mit diplomatischen Sanktionen, wie die Einschränkung von Besuchen auf Regierungsebene und engeren Kontakten zu kubanischen Dissidenten, beantwortet. Italien stellte seine bilaterale Hilfe ein und andere Mitgliedsländer erwägen ähnliche Schritte. Daraufhin ließ Castro Massenproteste vor den Botschaften Italiens und Spaniens in Havanna organisieren und bezeichnete den spanischen Regierungschef José María Aznar als Faschisten und Feigling.

Trotz dieser Ausfälle und der scharfen Verurteilung der Menschenrechtsverletzungen in Kuba entschied sich die EU bei der Überprüfung ihres 1996 verabschiedeten Gemeinsamen Standpunkts zu Kuba am 21. Juli für eine Aufrechterhaltung des politischen Dialogs.

Allerdings wurde die Vergabe von Entwicklungshilfe an Regierungsinstitutionen an eine wirtschaftliche Öffnung und/oder ihren direkten Nutzen für die Bevölkerung geknüpft. Durch diese neuen Maßnahmen hat die EU eine Kurskorrektur vom kritisch- zum eingeschränkt-konstruktiven Engagement vollzogen und sich in gewisser Weise der Sanktionspolitik der USA angenähert.

Fidel Castro fürchtet sich weniger vor Sanktionen als vor einer Entspannungspolitik, denn er teilt die Welt in Freunde und Feinde der Revolution und legitimiert seine autoritäre Herrschaft durch den "Kampf" gegen den Erzrivalen USA.

Im Sinne der europäischen Entspannungspolitik und eines konstruktiven Engagements ist es deshalb ratsam, den politischen Dialog mit Kuba aufrechtzuerhalten und die selbst gewählte Isolierung des Regimes jetzt nicht ebenfalls mit Distanzierung und Sanktionen zu beantworten.

Dies dient weniger dem europäischen Ziel der Demokratieförderung, sondern eher der Feindbildlogik des Regimes gegen alle Andersdenkenden im In- und Ausland.


Die Autorin
Dr. Susanne Gratius, Jahrgang 1963, ist in der Forschungsgruppe Amerika der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin zuständig für Lateinamerika. Neuere Publikationen: Kuba unter Castro – Das Dilemma der dreifachen Blockade. Die kontraproduktive Politik der „Demokratieförderung“ seitens der USA und der EU“, Opladen: Leske und Budrich (erscheint im August 2003). „Stärkt oder schwächt das ALCA-Projekt die lateinamerikanischen Regionalabkommen?“, in: Lateinamerika Analysen Nr. 5 (Juni 2003), Hamburg (Institut für Iberoamerika-Kunde), S. 97–199.



 
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